
the future
Herr Dr. Naunheimer, was macht die
Elektrifizierung des Antriebs zu einem Zukunftsthema?
Die Elektrifizierung ist ein elementarer Bestandteil,
um CO2-Vorgaben und Umweltauflagen
einhalten zu können. Ohne weitergehende
Elektrifizierung werden wir die Ziele nicht erreichen,
die für das Jahr 2020 geplant sind. Wir
werden hierfür die ganze Bandbreite an Möglichkeiten
benötigen: Mildhybride, Plug-In-
Hybride, reine Elektromobile. Elektrifizierung
ist ein entscheidender Faktor, auch im Bereich
der Nutzfahrzeuge.
Die Politik ist hier also ein wesentlicher
Treiber?
Genau. Die Ziele, die die Europäische Union bezüglich
der CO2-Emissionen vorgegeben hat,
liegen bei durchschnittlich 95 Gramm pro Kilometer
für neu zugelassene Fahrzeuge im Jahr
Das Ziel: Zero Emissions
2020. Ohne Elektrifizierung ist das nicht machbar.
Die Grenzen werden sicherlich noch enger
gesteckt; in der Industrie rechnet man mit etwa
75 Gramm pro Kilometer nach 2025. Die Marktdurchdringung
ist somit abhängig von der Gesetzgebung
weltweit, dem technischen Fortschritt
und dem Ausbau der Ladeinfrastruktur.
Welche Herausforderungen müssen noch
gemeistert werden?
Das sind im Wesentlichen drei Elemente. Erstens
die Kosten. Die sind immer noch relativ
hoch und für den Endnutzer nicht sehr attraktiv.
Zweitens die Reichweite der Batterien der
Elektrofahrzeuge. Die Kunden erwarten, mit
einer Ladung 400 Kilometer weit fahren zu können.
Und schließlich die Ladeinfrastruktur. Induktiv
laden zu können wäre hier eine Möglichkeit
— schließlich will niemand bei Regen eine
Starkstromdose anfassen. Es gibt Lösungen,
aber daran muss gearbeitet werden.
Was kommt nach dem Elektromotor?
Um es gleich zu sagen: Der Elektromotor ist
nicht die alleinige Lösung. Die Industrie erwartet,
dass man ergebnisoffen für jede Anwendung
den passenden Antrieb einsetzt.
Das muss nicht immer ein Elektroantrieb
sein. Dieser ist zwar lokal emissionsfrei; aber
irgendwo müssen Sie den Strom für Herstellung
und Betrieb des Fahrzeugs auch erzeugen.
Man könnte aus regenerativer Energie
auch CO2-neutrale synthetische Kraftstoffe
herstellen und damit Verbrennungsmotoren
betreiben.
Es wird also mehrere Konzepte für verschiedene
Anwendungsanforderungen geben?
Genau: Elektrofahrzeuge für kürzere Strecken
und Motoren mit synthetischen Kraftstoffen
für Fahrzeuge mit hohem Gewicht
oder hohen Reichweiteanforderungen. Auch
wenn Antriebslösungen zunehmend elektrifiziert
sein werden, wird der Verbrennungsmotor
in Zukunft weiterhin Berechtigung haben —
nur eben mit synthetischen Kraftstoffen. Allen
Lösungen gemein ist das Ziel Emissionsneutralität:
Zero Emissions.
Welchen Aufgaben wird sich die industrielle
Forschung in den kommenden Jahren
widmen?
Die Forschungsbedarfe bei elektrifizierten
Antrieben liegen sicherlich im Bereich der
Leistungselektronik, speziell in der Aufbau-
und Verbindungstechnik. Auch im Bereich der
Materialien müssen wir weiter forschen. Auf
Seiten der Produkte und der Produktionstechnik
müssen wir noch flexibler werden: durch
modularen Produktaufbau und die Industrie
4.0. Gerade die Grundlagenthemen sind in der
vorwettbewerblichen Gemeinschaftsforschung
der FVA bestens aufgehoben.
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