Zertifizierung von Auswertealgorithmen für evolventische Zylinderrad-Verzahnungen auf Koordinatenmessgeräten
PA Messtechnik | FVA 904 I
Verzahnungen werden seit Jahrzehnten fast ausschließlich auf CNC-gesteuerten Koordinatenmessgeräten mit taktilen Messkopfsystemen gemessen. Im Gegensatz zu traditionellen mechanischen Verzahnungsmessgeräten, die etwa bei Außenverzahnungen die Kinematik des Abwälzprozesses nachbilden und somit Abweichungen von der Idealgeometrie unmittelbar und mechanisch aufzeigen, muss bei Messungen auf Koordinatenmessgeräten eine Umrechnung der erfassten Messpunkte in Verzahnungsabweichungen erfolgen. Zudem sind bei Scanningverfahren gegenüber mechanischen Geräten Positionsabweichungen zur vorgegebenen Sollbahn numerisch zu korrigieren. Typische Aufgaben einer Verzahnungsmessung sind die Bewertung von Profil-, Flankenlinien- und Teilungsabweichungen zur Nenn-Geometrie. Dies erfordert teilweise die Berechnung eines zugeordneten vollständigen Geometrieelements, beispielsweise einer Evolvente oder einer Helix. Aus den resultierenden Abweichungen zur Nenn-Geometrie können Regressionsgeraden und -parabeln berechnet werden. Daraus ergeben sich Kennwerte für beispielsweise Winkel- Form und Gesamtabweichungen. Diese sind in den einschlägigen Normen und Richtlinien definiert.
Die Auswertung der Verzahnungsmessung erfolgt in herstellerspezifischen Softwareprodukten, die bisher nicht direkt zertifizierbar sind, da keine unabhängigen Referenzdaten zum Vergleich vorliegen. Die eingesetzten Algorithmen sind im Allgemeinen sehr komplex.
Von besonderer Bedeutung ist, dass durch die Überarbeitungen der relevanten Normen und Richtlinien, beispielsweise DIN ISO 1328-1:2017-04 oder VDI/VDE 2612 Blatt 1:2016-04, sich die Vielfalt der abzubildenden Fälle durch unterschiedliche Kombinationen von Modifikationen und verschiedene zulässige Vorgehensweisen zur Festlegung der Auswertebereiche gegenüber der noch bis 2012 gültigen DIN 3960:1987-03 drastisch erhöht hat. Hinzu kommt, dass für manche Kombinationen von Modifikationen gar keine eindeutige Auswertevorschrift durch normative Dokumente vorgegeben wird.
In der Folge führen die genannten Herausforderungen dazu, dass Hersteller von Verzahnungsmessgeräten und Auswertesoftware ihre eigenen individuellen Algorithmen zur Auswertung von Verzahnungsmessungen entwickeln. Systematische Auswertefehler können dabei nicht immer zuverlässig erkannt werden und bleiben in der Software möglicherweise über Jahre erhalten.
In diesem Vorhaben sollen Algorithmen für die Generierung abweichungsbehafteter Punkte entwickelt werden, die Messungen von evolventischen Zylinderrad-Verzahnungen entsprechen. Dabei soll das breite Spektrum unterschiedlicher Verzahnungsgeometrien und deren komplexe Modifikationen abgebildet werden. Für die in den Normen bisher nicht eindeutig geregelten Fälle sollen in Zusammenarbeit mit Herstellern von Verzahnungen und Messgeräten pränormative Dokumente erarbeitet werden, die entsprechende Auswertevorschriften für einen international harmonisierten Markt eindeutig festlegen. In Deutschland ansässige Firmen werden so als Erste über einen entsprechenden Qualitätsnachweis verfügen. Der Test wird in dem Sinne allumfassend sein, als dass die generierten Punkte Tastkugelmittelpunkte oder Oberflächenpunkte darstellen. Damit werden wichtige Bestandteile des Auswerteprozesses wie die Ausrichtung der Nenn-Geometrie, die Korrektur des Tastkugelradius, die Berechnung der einzelnen Punktabweichungen sowie die Umrechnung in genormte Parameter über entsprechende Regressionselemente vollständig geprüft.
Der Softwaretest wird in das TraCIM-System ([7], [8]) der PTB integriert werden und somit ständig für Entwickler über das Internet zur Verfügung stehen. Für den automatisierten Austausch der Daten wird ein XML-Format auf der Basis des Gear-Data-Exchange-Formates (GDE, [5]) verwendet. Bei erfolgreich bestandenem Test erhält der Anwender ein offizielles Prüfzertifikat der PTB. Damit ist das positive Ergebnis auch nach außen für Kunden sichtbar und erhöht die Akzeptanz des getesteten Produktes.
Im Falle eines nicht bestandenen Tests erhält der Anwender einen Bericht, aus dem hervorgeht, welche Parameter des Prüfumfanges nicht im Rahmen der angegebenen Genauigkeit ermittelt wurden. Dem Anwender wird somit die gezielte Suche nach Fehlern in seinen Algorithmen ermöglicht.