Tribologisches Verhalten kurzfaserverstärkter Polyamide
FVA 785 I | IGF-Nr. 18414 N
Untersuchung des tribologischen Systemverhaltens kurzfaserverstärkter Polyamide für Anwendungen in Maschinenelementen
Maschinenelemente aus kurzfaserverstärktem Polyamid sind ein vielversprechender technischer Ansatz, um die stetig steigenden Anforderungen an Maschinensysteme zu bewältigen. In Kombination mit flüssigen Schmierstoffen können die Leistungsdichte der Systeme erhöht, die Reibung gesenkt und gleichzeitig die Kosten vergleichsweise niedrig gehalten werden. Die fehlende Kenntnis zum tribologischen Systemverhalten, zu Belastungsgrenzen sowie zu den Mechanismen im Inneren des Kunststoffs hemmen die konsequente Weiterentwicklung und die Nutzung des Potenzials dieser Werkstoffe.
Das Ziel dieses Forschungsvorhabens lag im Aufbau von grundlegendem Verständnis zum werkstofflichen und tribologischen Systemverhalten von kurzfaserverstärkten Polyamiden in hochbeanspruchten Kontakten einschließlich deren Belastungsgrenzen. Dazu wurden das Reibungs-, Verschleiß- und Temperaturverhalten für vielfältige Einflussfaktoren wie z. B. Verarbeitung, Einlagerung, Schmierungszustand und Lastkollektiv untersucht und durch umfangreiche analytische Werkstoffuntersuchungen ergänzt. Im Mittelpunkt standen die faserverstärkten Werkstoffe PA66GF30 und PA46GF30, die durch ihre nicht verstärkten Varianten ergänzt wurden. Als Schmierstoffe wurden hauptsächlich Polyalphaolefine, Polyglykole und Ester-Schmierstoffe verwendet. Modelluntersuchungen wurden am Stift-Scheibe-Tribometer für Gleitkontakte und am FZG-Zweischeibenprüfstand für Wälzkontakte durchgeführt. Die Erkenntnisse wurden am Beispiel Zahnraduntersuchungen überprüft.
Modelluntersuchungen des Wälzkontakts mit stufenweiser Laststeigerung konnten zeigen, dass die Belastungsgrenze trockenlaufender Wälzkontakte durch flüssige Schmierung und geringe Oberflächengeschwindigkeiten gesteigert werden kann. Die Eignung einer Kombination des Einflusses von Last und Geschwindigkeit auf die Belastungsgrenze wurde durch die Definition einer modifizierten Flächengrenzleistung geprüft.
Das tribologische Systemverhalten geschmierter, hybrider Wälzkontakte ist durch den Einfluss des komplexen Materialverhaltens des Polyamid-Wälzkörpers und des Schmierstoffs geprägt. Die Korrelation von multiphysikalischen Berechnungen und experimentellen Untersuchungen zeigt, dass die hohe Nachgiebigkeit des Polyamid-Wälzkörpers zu niedrigem Kontaktdruck führt, wodurch sich die Viskosität im Kontaktgebiet nicht wesentlich von der Nennviskosität unterscheidet. Die Kontaktreibung und die Erwärmung des Schmierstoffs sind dadurch klein. Insbesondere bei hohen Flüssigkeitstraganteilen wurden Reibungszahlen μ < 0,01 gemessen, wobei die Unterschiede der Werkstoffvarianten klein sind und die Schmierstoffe ein Newtonsches Fließverhalten aufweisen. Bei hohen Festkörpertraganteilen unterscheiden sich die Werkstoffvarianten in Abhängigkeit des verwendeten Schmierstoffs und ihrer herstellbedingten Oberflächenstruktur. Durch das belastungsfrequenzabhängige Dämpfungsverhalten des Polyamid-Wälzkörpers kann es zu einer Versteifung des Kontakts im Einlaufbereich kommen und somit den Schmierungszustand beeinflussen. Darüber hinaus wird der Wärmehaushalt des Wälzkontakts maßgeblich durch die Dämpfungsverluste im oberflächennahen Bereich geprägt. Anhand von Kontakttemperaturmessungen mittels Dünnschichtsensorik konnte darüber hinaus eine ausgeprägte Temperaturerhöhung im Einlaufgebiet nachgewiesen werden. Eine Berechnungsstudie zum Einfluss der Faserorientierung des spritzgegossenen Wälzkörpers zeigt, dass es zu Materialspannungsmaxima im oberflächennahen Bereich kommen kann, welche die Lebensdauer begrenzen können. Zahnraduntersuchungen weisen auf eine erhöhte Lebensdauer durch Faserverstärkungen sowie den Einfluss des Schmierstoffs hin.
Untersuchungen des Reibungs- und Verschleißverhaltens an in Schmierstoff eingelagerten Probekörpern zeigen eine Steigerung der Leistungsfähigkeit von Gleitkontakten. So lässt sich durch eine geeignete Wahl des Schmierstoffs (Ester, unpolare Polyglykole, Polyalphaolefine) eine Reduktion des oberflächennahen Verschleißes von bis zu 80 % erreichen. Werkstoffanalysen bestätigen dabei auch, dass eine hohe Stabilität der Polyamidmatrix erzielt werden kann. So treten beispielsweise keine frühzeitigen Faserausbrüche auf und es kommt auch nicht zu Quellungen oder anderen Kontaminationen des Kunststoffprobekörpers, insbesondere des Matrixmaterials. Bei polaren Polyglykolen und Schmierstoffen, welche mit Anglamol 99 additiviert sind, zeigen sich hingegen starke Wechselwirkungen mit der Polyamidoberfläche, die sich mit steigender Oberflächenkontamination durch u.a. anhaftende Schmierstoffreste und demzufolge Oxidationsreaktionen in einer Schwächung des Probekörpers äußern. Dies kann beispielsweise dazu führen, dass die Bruchdehnung einen wesentlich geringeren Wert annimmt.
Um das volle Potential kurzfaserverstärkter Polyamide in industriellen, leistungsübertragenden Maschinenelementen wie z. B. Zahnrädern ausschöpfen zu können, ist ein vertieftes Verständnis insbesondere der chemisch-physikalischen Wechselwirkungen im tribologischen System notwendig. Neben der Diffusion von Schmierstoff in den Kunststoff und der damit verbundenen Änderung der Materialeigenschaften im oberflächennahen Bereich, als auch durch Additivreaktionen, beispielsweise auch mit der Metalloberfläche, wird das tribologische System als auch die Belastungsgrenzen von Wälzkontakten maßgeblich beeinflusst. Zur vollständigen Ausnutzung des Potentials kurzglasfaserverstärkter Polyamide besteht daher weiterer zielgerichteter Forschungsbedarf.
Das IGF-Vorhaben IGF-Nr. 1841 N der Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V. (FVA) wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.