Stochastische Strukturen
FVA 706 II | IGF-Nr. 20196 N
Auswirkung stochastischer Strukturen in Gegenlaufflächen auf die Funktion von Radialwellendichtringen
In vielen Projekten wurde versucht, Gründe für auftretende Leckage zu finden. Bisher konnte kein System entwickelt werden, durch das zuverlässig die stets geforderte Drallfreiheit nachgewiesen werden kann. In der Folge kann es in der Praxis trotz i.O.-Abnahme von Gegenlaufflächen zu Leckage kommen. Um den Stand der Forschung voranzubringen, entstand der Ansatz des umgekehrten Vorgehens. In diesem Projekt wurden in funktionierende und damit ausreichend drallfreie Gegenlaufflächen Strukturen eingebracht. Da selbst bei einem vorschriftengerechten Herstellprozess auf Gegenlaufflächen „Kratzer" im Mikrobereich entstehen, wurden die Auswirkungen solcher Strukturen auf die Funktion von Radialwellendichtringen (RWDR) und deren Detektierbarkeit gezielt untersucht.
Hierzu wurden Erkenntnisse über kritische Fehlstellen in Gegenlaufflächen von RWDR aus den Forschungsvorhaben FKM 281 und FVA 706 I aufgegriffen und in diesem Projekt erweitert. Als drallfrei identifizierte Gegenlaufflächen wurden Kratzerschäden unterschiedlicher Tiefe, Orientierung, Anzahl und Anordnung bis in den maßlichen Bereich üblicher Oberflächenrauheiten eingebracht und auf Dichtheit überprüft. Die eingebrachten Kratzer konnten mit einem 3D-Laserscanningmikroskop detektiert und vermessen werden. Die Kratzer wurden überwiegend mittels Laser eingebracht. Versuche mit mechanisch eingebrachten Kratzern bestätigen die Vergleichbarkeit mit „Laser-Kratzern“. Als Dichtungsbauformen wurden Standard-RWDR ohne Rückförderhilfen und Einfachdrall-RWDR auf ihr Schadenskompensationsvermögen untersucht. In Leckageversuchen wurden kritische Fehlstellen identifiziert. Die Untersuchungen zeigen, dass sowohl die Tiefe, die Orientierung, die Anzahl sowie der Abstand und die gegenseitige Ausrichtung von Kratzern innerhalb des Dichtkontakts einen erheblichen Einfluss auf die Dichtheit des Dichtsystems haben können. Eine wichtige Erkenntnis stellt die Tatsache dar, dass bereits eine geringe Anzahl (20) an Kratzern mit Tiefen im Bereich der tolerierbaren Oberflächenrauheit (4 μm) in Kombination mit einem Standard-RWDR zu einer beachtlichen Leckage führen kann. Untersuchungen mit gegensätzlich wirkenden Strukturen zeigten tendenziell eine Abschwächung der Leckage bzw. eine Verschiebung der Leckagegrenze. Eine vollständige gegenseitige Kompensation konnte (bei gleicher Anzahl gegensätzlich wirkender Strukturen) jedoch ausgeschlossen werden. In umfangreichen Messungen wurden die Förderwerte der RWDR und Kratzerstrukturen quantifiziert und mit den Ergebnissen der Leckageversuche korreliert. Diese Ergebnisse dienen als Grundlage zur Bewertung von Strömungssimulationen. Zur theoretischen Abschätzung der kratzerbedingten Leckage wurden Simulationen der Fluidströmung durch die Kratzer im Dichtkontakt ausgeführt. Hierzu wurde das Open-Source-Programm ELMER verwendet. Es wurden synthetisch generierte Modell-Kratzer sowie importierte reale Kratzer-Geometrien analysiert. Die Ergebnisse unterschiedlicher Berechnungsansätze (Reynolds-Solver vs. Navier-Stokes-Solver) wurden gegenübergestellt und Grenzen für die Berechnung herausgearbeitet.
Das IGF-Vorhaben IGF-Nr. 20196 -N der Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V. (FVA) wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.