Restaustenitkonditionierung

PA Werkstoffe | FVA 919 I

Konditionierung von hoch restaustenithaltigen Zuständen durch Verfahren der Kaltverfestigung zur Erzeugung maximaler Zahnradtragfähigkeit

Die Gebrauchseigenschaften hoch belasteter antriebstechnischer Bauteile, wie beispielsweise Zahnräder und Wälzlager, werden zumeist durch eine Wärmebehandlung des weichbearbeiteten Bauteils und eine anschließende optionale Hartfeinbearbeitung hergestellt.

Die erforderlichen Festigkeitskennwerte für hoch belastete Zahnräder lassen sich nach heutigem Stand der Technik üblicherweise nur durch ein Einsatzhärten erreichen. Gleiches gilt für hoch belastete Wälzlager. Die Eigenschaften der einsatzgehärteten Zahnräder hängen maßgeblich vom bei der Wärmebehandlung eingestellten Gefüge ab. Neben dem Kerngefüge, welches die Basis für die Tragfähigkeitseigenschaften bildet, ist das Randschichtgefüge für die meisten Versagensmechanismen wie Grübchen- oder Graufleckenbildung ausschlaggebend.

Die heutige, industriell weit verbreitete Vorgehensweise beim Einsatzhärten von Zahnrädern ist das Aufkohlen in Gasatmosphäre bei Normaldruck (Gasaufkohlung) oder in selteneren Fällen bei Niederdruck (Niederdruckaufkohlung). In beiden Fällen wird das sich einstellende Gefüge durch die in der Randschicht erzeugten Kohlenstoffprofile in Kombination mit der Härtetemperatur beeinflusst. Üblicherweise wird nach der Wärmebehandlung in der Randschicht ein martensitisches Gefüge mit maximal 25 % fein verteiltem Restaustenit angestrebt. Nach derzeitigem Stand der Technik liegt das Hauptaugenmerk auf der Erzielung der martensitischen Härtung mit einer für die Bauteilfestigkeit entscheidenden hohen Randschichthärte. Der Restaustenitgehalt wird üblicherweise bezüglich des maximal zulässigen Gehalts begrenzt. In den letzten Jahren hat sich zunächst im Bereich der Forschung zur Erzeugung höchster Randschichtfestigkeiten einsatzgehärteter Zahnräder das Carbonitrieren als sehr effektives Verfahren herauskristallisiert. Durch die gleichzeitige Modifikation der Randschicht mit Kohlenstoff und Stickstoff bildet sich nach dem Härten ein signifikant höherer Restaustenitgehalt aus, da die hohen Kohlenstoff- und Stickstoffgehalte im oberflächennahen Bereich die Martensitstarttemperatur des Stahls sehr weit absenken. Das überwiegend austenitische Gefüge mit nur noch ca. 40 % Martensitanteil hat sich sowohl in Prüfstandsversuchen als auch in den ersten industriellen Anwendungen herausragend dargestellt. Diese Tatsache konterkariert jedoch nahezu die gesamte Literatur hinsichtlich der Schwingfestigkeit einsatzgehärteter Zustände. Dort zeigt sich, dass niedrige Restaustenitgehalte unter uniaxialen Belastungsbedingungen in der Regel zu den höchsten Tragfähigkeiten führten. Als Grund wird in der Regel die Metastabilität des Restaustenits angeführt, der sich unter schwingender Last umwandelt. Durch Mikroeigenspannungen im Umfeld der neu gebildeten Martensitnadeln kommt es zu Mikrorissen und in deren Folge im weiteren Verlauf der Belastung zu bruchmechanisch relevanten Rissen sowie einem Versagen des Bauteils. Somit ist es von großer Bedeutung, den Restaustenit in der Randschicht weitestgehend zu stabilisieren, um eine Umwandlung unter späteren Betriebsbedingungen zu vermeiden. Hierbei werden zumeist hohe interstitielle Gehalte an Kohlenstoff und Stickstoff als sehr wirksam diskutiert.

Eigene Untersuchungen am Leibniz-IWT Bremen haben gezeigt, dass der Restaustenit nach dem Carbonitrieren nicht als stabil betrachtet werden kann und unter schwingender Belastung in großen Maßen zur Umwandlung neigt. Die Folgen einer erheblichen Restaustenitumwandlung sind neben einer lokalen Härtesteigerung in der Regel Effekte wie Mikrorissbildung, die wiederum einer Initialschädigung gleichzusetzen sind, sofern die damit einhergehenden, lokal wirkenden Eigenspannungen nicht reduziert werden können. Dies ist unter üblichen Betriebsbedingungen von Zahnrädern jedoch nicht möglich. Daher wird heute die Restaustenitumwandlung gegenüber der gewollten plastischen Anpassungsdeformation als wesentlicher Treiber des Versagens gesehen. Somit wirkt einer weiteren Steigerung der Tragfähigkeit von hoch belasteten Zahnrädern mit stark restaustenithaltigen Randschichten die Metastabilität des Restaustenits entgegen.

Folglich ergibt sich als allgemein formuliertes Ziel des Vorhabens die Fragestellung nach der Lösung des Stabilitätsproblems von Restaustenit unter schwingender Belastung. Die Lösung dieses Problems kann jedoch nach aktuellem Stand des Wissens nicht allein durch den Einsatz eines einfachen Wärmebehandlungsverfahrens gelöst werden. Daher soll durch einen dem Einsatzhärten nachgelagerten Verfahrensschritt eine mechanische (Kalt-)Verfestigung eingeleitet werden, die die Umwandlung des metastabilen Restaustenits vorwegnimmt und im Betrieb eine erhöhte Stabilität mit sich bringt. Dieser nachgelagerte Verfahrensschritt soll im Anschluss an ein Carbonitrieren über ein Festigkeitsstrahlen bzw. Festwalzen realisiert werden. Hierdurch sollen für Zahnräder höchstfeste Zustände auf der Zahnflanke sowie im Zahnfuß durch die Konditionierung des vorliegenden Restaustenits eingestellt werden.

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