Neues FVA-Projekt: Sensitivität Lagerströme

AG Mobile Elektrifizierte Antriebssysteme | FVA 946 I

Systemansätze zur Vermeidung von parasitären Strömen

In heutigen Antriebssystemen werden in steigender Zahl Elektromotoren mit Frequenzumrichterspeisung eingesetzt. Moderne Frequenzumrichter (FU) weisen hohe Spannungsgradienten auf, was einen dynamischen Betrieb bei gleichzeitig geringen Schaltverlusten ermöglicht. Dadurch können jedoch elektrische Spannungen an Lagern und Getriebeelementen entstehen, was auch einen Stromdurchgang durch die verwendeten Maschinenelemente zur Folge haben kann.

Die Maschinenelemente, die einer unzulässig hohen elektrischen Beanspruchung ausgesetzt werden, können dadurch massiv geschädigt werden, was zu einem Ausfall des betroffenen Bauteils, der Teilkomponente oder der gesamten Anlage führen kann. Mit bisherigen Berechnungsvorschriften ist eine Quantifizierung der Schädigung von Wälzlagern durch die scheinbare Lagerstromdichte sowie durch die Lagerscheinleistung möglich. Des Weiteren sind unterschiedliche Maßnahmen zur Reduktion oder zur vollständigen Vermeidung von Lagerströmen bekannt.

Bisher fehlt jedoch eine systematische sowie quantitative Untersuchung der elektrischen Lagerbelastung, die die vielfältigen Einflüsse der leistungselektronischen Topologie, der verwendeten Leistungshalbleiter, der Leistungsverkabelung zur elektrischen Maschine, ggf. eingesetzte Filter sowie das Wirkprinzip der elektrischen Maschine, die eingesetzte Wicklungstechnologie, die Lagerung des gesamten Wellenstrangs sowie das Erdungssystem betrachtet. Eine Ursache hierfür ist, dass noch keine Simulationswerkzeuge verfügbar sind, welche es erlauben, die unterschiedlichen Komponenten und deren Wechselwirkung auf Systemebene im Hochfrequenzbereich abzubilden. Die Bestimmung der erforderlichen Ersatzparameter lässt sich nur schwer vereinheitlichen. Als Beispiel ist hier die Kapazität zwischen der Ständerwicklung und dem Blechpaket der elektrischen Maschine bei einer Runddrahtwicklung infolge ihrer undefinierten Lage der Einzeldrähte innerhalb der Nuten zu nennen.

Aufbauend auf dem FVA-Projekt 863 I „Stromdurchgang im Wälzlager“ kann im vorliegenden Projekt auf die dort erarbeiteten wissenschaftlichen Erkenntnisse zurückgegriffen werden. Eine zusätzliche Dringlichkeit, die beschriebenen Wissenslücken zu schließen, resultiert aus neuen Technologien beim Aufbau eines mobilen Antriebssystems. Durch den Einsatz von Siliziumkarbid-Leistungshalbleitern (SiC) mit größeren Spannungssteilheiten oder durch die Ausführung von Haarnadelwicklungen, die eine deutlich größere Kapazität zum Blechpaket der elektrischen Maschine besitzen als herkömmliche Runddrahtwicklungen, ist eine deutlich größere elektrische Lagerbelastung zu erwarten. Beide Technologien besitzen gerade für Fahrzeugantriebe eine besondere Bedeutung. Ohne ein besseres Systemverständnis und eine valide Möglichkeit zur Vorausberechnung der elektrischen Lager- und Getriebebelastung besteht die Gefahr, dass es zu vorzeitigen Lagerausfällen bzw. zu Schädigungen im Getriebe kommt. Um dies zu vermeiden, könnten alternativ kostenträchtige Schutzmaßnahmen (z.B. Hybridlager oder Filter) ergriffen werden, welche aber unter Umständen nicht erforderlich sind.

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