Materialkennwerte verstärkte Thermoplasten
869 I | PA Kunststoffe
Berechnungsgrundlagen für Materialkennwerte von verstärkten Thermoplasten
Kurzfaserverstärkte Polymere weisen inhomogene und anisotrope Faserverteilungen auf. In Abbildung 1 ist dies anhand einer μ-Computertomografischen Aufnahme einer spritzgegossenen Platte dargestellt. Es ist ersichtlich, dass nicht nur ein lagenweiser Aufbau über die Probendicke, sondern auch Unterschiede an verschiedenen Positionen in der Platte vorliegen. Darüber hinaus ist die Polymermatrix empfindlich gegenüber Umwelteinflüssen wie Temperatur und Feuchtigkeit.
Daher muss eine FE-Simulation zur Auslegung von Bauteilen sowohl die Inhomogenität aufgrund der Faserverteilung als auch umweltabhängige Materialeigenschaften berücksichtigen, um eine zuverlässige Struktur entwerfen zu können.
Ziel dieses Projekts war es, ein nichtlineares analytisches Modell zu entwickeln, das das mechanische Verhalten von kurzglasfaserverstärkten Thermoplasten unter quasistatischer Belastung bei verschiedenen Temperaturen beschreibt. Dieses analytische Modell sagt Spannungs- und Dehnungsverhalten und die Festigkeit des Materials bei der jeweiligen Faserorientierung, Fasergehalt, Temperatur und Feuchtigkeit vorhersagt. Hierzu wurde das Modell in einen Computercode überführt, mit dem fünf voneinander unabhängige Einflussparameter berücksichtigt werden können. Als Ergebnis werden beispielsweise temperaturabhängige Steifigkeiten und orientierungsabhängige Spannungs-Dehnungs-Kurven ermittelt. Eine Übersicht zum grundsätzlichen Ablauf gibt Abbildung 2.
Neben dem Fasergehalt ist die prozessbedingte Ausrichtung der Fasern eine wesentliche Einflussgröße auf das mechanische Verhalten. Daher erfolgte zunächst eine Mikrostrukturanalyse der Probekörper mit Hilfe der μ-Computertomografie. Hiermit wurden dann die Ergebnisse der mechanischen Versuche korreliert, um den Zusammenhang zwischen Mikrostruktur und mechanischen Eigenschaften im analytischen Modell implementieren zu können. Im praktischen Anwendungsfall kann die Faserorientierung entweder am realen Bauteil computertomografisch ermittelt werden oder es erfolgt eine Prozesssimulation im Entwicklungsstadium des Bauteils.
Temperatur- und feuchtigkeitsabhängiges Materialverhalten kann in diesem Modell ebenfalls berücksichtigt werden, indem weitere Module auf Grundlage der Dynamisch-Mechanischen Thermoanalyse (DMTA) hinzugefügt wurden. Solche Materialmodelle verbessern die Bereitstellung von Materialkennwerten durch Rohstofflieferanten wie auch die Verfügbarkeit von Daten für die FE-Simulation von spritzgegossenen Verbundwerkstoffbauteilen. Damit bilden sie einen wichtigen Beitrag für die zuverlässige Auslegung von Kunststoffbauteilen und senken die Hürden für klein- und mittelständische Unternehmen.
Das Projekt 869 I der Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V. (FVA) wurde über Eigenmittel finanziert.