Gleitlager-Schmierstoff-Qualifizierung
FVA 915 I | IGF-Nr. 21120 BG/1
Schnelltest zur Verträglichkeit von hochlegierten Gleitlagerwerkstoffen mit hochadditivierten Schmierölen
Im Rahmen der Definition eines Gleitlagersystems ist bei der Auswahl des Lagerwerkstoffes sowie des Schmieröls deren Verträglichkeit sicherzustellen. Die DIN ISO 4378-1:2013-12 definiert die Verträglichkeit als die "Fähigkeit eines Lagerwerkstoffs, optimales tribologisches Verhalten im Tribosystem sicherzustellen". Dabei fokussiert die Verträglichkeit in erster Linie auf die Reibung und den Verschleiß. Die Verträglichkeit ist gegeben, wenn diese Kenngrößen über die Betriebszeit des Gleitlagers charakteristische Grenzwerte nicht überschreiten.
Während bei Gleitlagern im hydrodynamischen Betrieb eine reine Fluidreibung und somit für den Betrieb günstige Bedingungen vorliegen, ist im Mischreibungsbetrieb von einem reibungs- und verschleißkritischen Kontakt der Materialpaarungen auszugehen. Dies hat einen maßgeblichen Einfluss auf die Lebensdauer des Gleitlagersystems. Um diesbezüglich valide Prognosen treffen zu können, werden bei klassischen Werkstoff-Schmierstoff-Kombinationen (WSK) typischerweise Laborprüfungen mittels Tribometer, Rheometer sowie Korrosionsprüfungen durchgeführt. Die gängigen Prüfmethoden erlauben jedoch keine zweifelsfreien Nachweise hinsichtlich der Verträglichkeit für zunehmend nachgefragte Gleitlagersysteme aus hochlegierten Werkstoffen und hochadditivierten Schmierölen. Wie Untersuchungen belegen, können im Realbetrieb Wechselwirkungen im Tribosystem auftreten, die in Laborversuchen derzeit nicht äquivalent nachgebildet werden können. Durch eine reibungsabhängige Prüfmethode im Rahmen eines Schnelltests können etwaige triboschemische Wechselwirkungen für hochlegierte WSK bei der Werkstoffauswahl bereits identifiziert werden.
Im Projekt erfolgte eine Betrachtung diverser Lagerwerkstoffe, darunter Bronze, Messing, Kupfer-Aluminium sowie PEEK. Die durchgeführten Versuche wurden mit mineralischem Öl sowie synthetischen Schmierstoffen (PAO und PAG) durchgeführt. Die Einsatzgebiete des definierten WSK sind in der Praxis äußerst vielfältig. Die Gleitgeschwindigkeiten variieren zwischen 0,05 und 40 m/s, während die spezifische Lagerbelastung einen Bereich zwischen 1 und 50 MPa liegen. Aufgrund energetischer Gründe ist eine Durchführung der Versuche im definierten Anwendungsbereich auf einem Prüfstand nicht möglich. Im Rahmen des Vorhabens wurde daher der Hochdrehzahlprüfstand (Abbildung 1 links) aufgebaut. Die Versuche im Schwelastbereich sowie in den Bereichen Mischreibung und Grenzreibung wurden auf dem bereits vorhandenen Prüfstand durchgeführt (Abbildung 1 rechts).
Zur Abgrenzung der erarbeiteten Prüfmethode wurden Auslagerungsversuche in Anlehnung an die Norm sowie Tribometer-Versuche durchgeführt. Die Auslagerungsversuche wurden für sieben Tage bei 120 °C durchgeführt. Abschließend wurden Ölanalysen mit den jeweiligen Schmierstoffen durchgeführt. Die Tribometerversuche wurden als Ringversuche durchgeführt, wobei die erforderlichen Proben aus neuen Lagern entnommen wurden.
Im Rahmen des Projekts wurde ein neuer Prüfstand konstruiert, der die Bewertung etwaiger tribologischer Veränderungen hochlegierter WSK ermöglicht. Der Prüfstand (siehe Abbildung 1, links) wurde für hohe Drehzahlen von bis zu 42.000 Umdrehungen pro Minute konzipiert. Für die Untersuchung wird lediglich ein minimales Ölvolumen von zwei Litern benötigt, was insbesondere bei der Neuentwicklung von Schmierstoffen von Vorteil ist. In Ergänzung zu den bereits vorhandenen Prüfmöglichkeiten wurde somit eine ganzheitliche Betrachtung des Anwendungsspektrums ermöglicht.
Im Rahmen des Vorhabens wurde eine erste leistungsabhängige Prüfmethode entwickelt, welche die Identifikation tribologischer Wechselwirkungen mittels eines Schnelltests ermöglicht. Im Rahmen der Methode wurde für eine Auswahl an WSK die obere und unterkrieche spezifische Reibungsleitung bestimmt. Darüber hinaus wurden Auslagerungs- und Tribometeruntersuchungen durchgeführt. In Bezug auf die mineralischen Öle konnten bei allen WSK keinerlei Veränderungen durch die Auslagerungsversuche bei 120 °C festgestellt werden. Im Gegensatz dazu führten die Versuche mit synthetischem Öl (PAO) bei den Lagervarianten mit Bleianteil zu signifikanten Schäden. Die Resultate der Auslagerungsversuche stehen teilweise im Widerspruch zu den Bauteilversuchen. Für die mineralischen Öle konnten teilweise signifikante Wechselwirkungen nachgewiesen werden, während diese bei den synthetischen Ölen unter gleichen Betriebsbedingungen nicht festzustellen waren. Die untersuchte PEEK-Lagervariante wies keine Wechselwirkungen auf und zeigte für die betrachteten Parameter ein chemisch inertes Verhalten.
Die mittels EDX-Analysen durchgeführten, stichprobenartigen Untersuchungen ergaben, dass sich die Schwefeladditive an der Oberfläche anlagern und teilweise auch in die Oberfläche einlagern. Dies ist vermutlich die Ursache für die identifizierten Veränderungen der tribologischen Eigenschaften, die sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben.
Aufgrund der unterschiedlichen Wechselwirkungen der Additive in Abhängigkeit von der tribologischen Beanspruchung zeigt sich die Notwendigkeit der entwickelten leitfähigkeitsabhängigen Prüfung als Ergänzung zu den in den Normen beschriebenen Modellversuchen.
Das IGF-Vorhaben IGF-Nr. 21120 BG/1 der Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V. (FVA) wurde im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages mit den Mitteln der IGF gefördert.