FÜMOSYS – Fügestellenmodellierung für die Systemsimulation
FVA 905 I | IGF-Nr. 21111 N
Fügestellenmodellierung für die Systemsimulation – FÜMOSYS
Der Trend zu immer kürzeren Entwicklungszeiten hat dazu geführt, dass virtuelle Prototypen in Form von Simulationsmodellen in den Entwicklungsalltag immer weiter Einzug halten. Virtuelle Prototypen bieten das Potential, zeit- und kostenintensive Iterationsschleifen – insbesondere im Hinblick auf die Fertigung von physischen Prototypen – zu reduzieren, und müssen geeignete Modellierungsansätze beinhalten, um das Systemverhalten bereits vor der Fertigung physischer Prototypen bewerten zu können.
Das Systemverhalten wird maßgeblich durch Akustik, Komfort und Ressourceneffizienz beschrieben. Die Optimierung dieser Eigenschaften gewinnt daher in der Produktentwicklung mit zunehmender Verdichtung des Lebensraums stetig an Relevanz. Neben dem zentralen Ziel der Funktionserfüllung rücken die unter dem Begriff Noise, Vibration, Harshness (NVH) zusammengefassten akustischen und fühlbaren Komforteigenschaften wie z.B. der Höreindruck vermehrt in das Blickfeld der Kunden und Konsumenten und bilden deshalb ein wichtiges Entwicklungsziel. Für das strukturdynamische bzw. akustische Verhalten spielt die Möglichkeit, Schwingungen im Transferpfad von der Anregung zum Anwender dämpfen zu können, eine wesentliche Rolle. Es ist bekannt, dass bei flächig verbundenen Strukturen der wesentliche Anteil der Dämpfung in den Verbindungsstellen der Komponenten - den Bauteil-Kontaktflächen bzw. Fügestellen - auftritt. Bisher fehlten jedoch geeignete Modelle, um das strukturdynamische Verhalten von Fügestellen in Antriebssystemen hinreichend genau vorherzusagen.
Ziel dieses Vorhabens war es daher, eine Methodik zur recheneffizienten Berücksichtigung der Fügestellendämpfung in der Finite-Elemente (FE) und Mehrkörpersimulation (MKS) bereitzustellen, da die akustische Bewertung von antriebstechnischen Systemen heutzutage überwiegend mittels FE und EMKS erfolgt.
Zur Erreichung des Ziels wurde ein dreigeteilter Lösungsansatz verfolgt: Zunächst wurde anhand von Messungen das strukturdynamische Verhalten von gefügten Baugruppen bestimmt, der Einfluss der Fügestelle durch Vergleich mit monolithischen Bauteilen bewertet und relevante Einflussgrößen auf die Fügestellendämpfung ermittelt. Anschließend wurden Modelle verschiedener Detailgrade zur Abbildung des beobachteten Fügestellenverhaltens in FE und MKS implementiert, parametriert und validiert. Zuletzt wurde ein Methodenleitfaden erarbeitet. Dieser umfasst Richtlinien zur Auswahl geeigneter Modelle auf Basis der konstruktiven Ausgestaltung der Fügestelle. Zudem wird im Methodenleitfaden die Auswahl einer geeigneten räumlichen Auflösung von EMKS-Elementen mit Hilfe des Kennwerts der Rigidness, der die Verformungsanteile von Modenformen beschreibt, sowie die Parametrierung der entwickelten Modelle unterschiedlicher Detailgrade erläutert. Das entwickelte Vorgehen wurde am akademischen Anwendungsbeispiel des Brake-Reuß-Balkens sowie an zwei industrienahen Anwendungen – einer Gehäusebaugruppe einer elektrifizierten Achse und einer Getriebehülle einer Windenergieanlage – validiert. Es konnte gezeigt werden, dass das Übertragungsverhalten der gefügten Struktur bis zu 14 dB unter dem Wert der monolithischen Strukturen vergleichbarer Masse und Steifigkeit liegt. Das Fügestellenverhalten in der eMKS wurde mit Hilfe der entwickelten Modellierungsmethodik auf 1 dB genau gegenüber der Messung abgebildet.
Das IGF-Vorhaben IGF-Nr. 21111 N der Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V. (FVA) wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.