Virtuelle Lebensdauerprognose

FVA-Nr. 790 I, IGF-Nr. 19331 N

Virtuelle Lebensdauerprognose für Elastomerbauteile unter Berücksichtigung der Materialbeanspruchung

Die Lebensdauerprognose von Elastomerbauteilen stellt Hersteller, oft kleine und mittlere Unternehmen, vor große Herausforderungen, da eine genaue Kenntnis der Belastungssituation benötigt wird. Bei Elastomeren sind jedoch nicht nur die Materialbeanspruchungen aufgrund der von außen einwirkenden Kräfte lebensdauerbestimmend, sondern auch Beanspruchungen, die aus Temperatur- und Medieneinflüssen resultieren. Belastungskollektive und Mittellastlagen aufgebrachter Belastungen sind zusätzliche Einflüsse, die zur Schädigung des Bauteils und damit zur Änderung der Materialeigenschaften beitragen. Kunden der Hersteller können häufig die Einsatzbedingungen nicht ausreichend spezifizieren. Darüber hinaus können aufgrund des versuchstechnischen Aufwandes nicht für jede Belastungssituation Lebensdauernachweise erfolgen. Zur Berechnung von Bauteillebensdauern, gerade im funktions- oder sicherheitsrelevanten technischen Bereich, werden heutzutage Lebensdauerprognosen eingesetzt, um Wartungs- bzw. Austauschintervalle bestimmen zu können. Daher lauten die Anforderungen an Lebensdauerprognosemodelle, den Bauteilausfall möglichst genau zu berechnen und dabei werkstoffspezifische Phänomene zu berücksichtigen. Die heute in der Industrie häufig angewendeten Prognoseansätze für Elastomerbauteile leiten sich von Ansätzen auf der Basis linearer Schadensakkumulation, die ursprünglich für Metallbauteile entwickelt wurden, ab und eignen sich nur bedingt für das Anwendungsgebiet Elastomere, was eine oft nicht ausreichende Übereinstimmung von experimentellen Versuchen und Schadensprognosen zeigt.

In diesem Vorhaben wurde auf der Basis einer rechnergestützten Simulation die Grundlage für virtuelle Lebensdauerprognosen von Elastomerbauteilen entwickelt. Dadurch wurde nicht nur die Abschätzung der Lebensdauer in Abhängigkeit der spezifischen Belastungssituation des Bauteils, sondern auch die Durchführung von Geometrieoptimierungen bereits in der Produktentwicklung hinsichtlich einer längeren Lebensdauer ermöglicht. Die virtuelle Lebensdauerprognose kombiniert ein schädigungsabhängiges Materialmodell mit einem nichtlinearen Schadensakkumulationsmodell (nlSAM). Dabei wird die Lebensdauer für ein Bauteil auf Basis lokaler Schädigungsgrade berechnet. Das in einem vorangegangenen Vorhaben FVA 435-III bereits validierte nichtlineare Schadensakkumulationsmodell für dynamisch beanspruchte Elastomerbauteile berücksichtigt durch den gewählten mathematischen Ansatz das sogenannte „Langzeitgedächtnis“ von Elastomeren. Durch Belastungen hervorgerufene Teilschädigungen beeinflussen die Berechnung der jeweils aktuellen Schädigung des Bauteils, was je nach Reihenfolge der aufgebrachten Bauteilbelastung zu anderen berechneten Ausfallzeiten führt und somit eine realistischere Abbildung des realen Belastungsfalls darstellt. Dieses nlSAM wurde daher von dem globalen Bauteil auf ein einzelnes Element eines Simulationsmodells auf die Finite-Elemente-(FE)-Ebene übertragen. Dadurch wird nicht mehr die äußere Belastung als Eingangsgröße gewählt, sondern die elementspezifische Materialbeanspruchung.

In Abbildung 1 ist der Algorithmus zur virtuellen Lebensdauerprognose dargestellt.
Hierfür werden die Beanspruchungen einzelner Netzelemente durch FE-Simulationen berechnet und zur Prognose mit dem modifizierten nlSAM herangezogen. Auf diese Weise können lokale Elementschädigungsgrade bestimmt werden. In Abhängigkeit derer werden die Materialmodellparameter eines jeden Elements nach jedem Iterationsschritt angepasst, wodurch in einer quasistatischen FE-Simulation ein dynamisches System simuliert wird. Die Schrittweite der Iterationen wird durch die auf globaler Bauteilebene definierte Steifigkeitsdegradation bestimmt, die aus einem Ausfallkriterium erfolgt. Die Kalibrierung der virtuellen Lebensdauerprognose erfolgt anhand ausgewählter Lebensdauerversuche am realen Bauteil, indem Schädigungsverläufe für das nlSAM und schädigungsabhängige Hysteresen für das Materialmodell herangezogen werden. Die virtuelle Lebensdauer erlaubt eine Übertragung der kalibrierten Methode auf geometrieähnliche Bauteile, die aus derselben Materialcharge gefertigt wurden. Aufgrund der Berücksichtigung der Beanspruchungshistorie mechanischer Natur ist sie zudem für Elastomere besonders geeignet und liefert weiteres Forschungspotenzial hinsichtlich des übergeordneten Ziels der virtuellen Lebensdauerprognose unter Reallast.

Das IGF-Vorhaben IGF-Nr. 19331 N der Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V. (FVA) wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

AiF Mitgliedgefördert vom BMWiK aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages
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